Es gilt das gesprochene Wort.

Sehr geehrte Verlegerinnen und Verleger,
Geschätzte Journalistinnen und Journalisten

Zuallererst wünsche ich Ihnen von Herzen ein gutes neues Jahr. Ich hoffe, Sie hatten schöne Festtage und sind gut gestartet.

Sie haben sich wohl auch gefragt, wie 2025 so wird - über welche Kriege und Katastrophen Sie und ihre Medien berichten werden. Besonders hoffnungsvoll stimmt einen die Weltlage ja nicht. Mir kommt hier ein Zitat des amerikanischen Schriftstellers William Faulkner in den Sinn:

«Die Menschen sind heutzutage nicht schlechter, als sie früher waren. Nur die Berichterstattung über ihre Taten ist gründlicher geworden.»

Ob die Menschen heutzutage besser oder schlechter sind, darüber lässt sich streiten. Dass wir heute schneller und umfassender informiert werden, trifft hingegen zu. Wir verfolgen Kriege quasi im Live-Stream. Geschieht irgendwo auf der Welt etwas, sind Bilder davon Sekunden später im Internet. Journalistinnen und Journalisten müssen schnell und sorgfältig recherchieren, verifizieren und gewichten.

Damit bin ich mitten im Thema: Unabhängige Medien sind unerlässlich, damit eine Demokratie funktioniert. Wo die freien Medien eingeschränkt werden, ist die Diktatur nicht fern. Oder wie der französische Schriftsteller und Philosoph Albert Camus, sagte:

«Eine freie Presse kann gut oder schlecht sein, aber eine Presse ohne Freiheit kann nur schlecht sein.»

Die Medien haben drei zentrale Aufgaben.

Sie informieren: Jede Demokratie braucht informierte Bürgerinnen und Bürger. Erst recht eine direkte Demokratie. Wer nicht informiert ist, kann schlecht wählen oder abstimmen. Die Medien klären auf und stellen sicher, dass aus Bürgerinnen und Bürgern Staatsbürgerinnen und Staatsbürger werden.
Medien helfen bei der Meinungsbildung: Sie sind Plattformen für unterschiedliche Meinungen und ermöglichen den Bürgerinnen und Bürgern, sich eine eigene Meinung zu bilden. Die Medien gewährleisten die Meinungsvielfalt.
Medien kontrollieren: Machtteilung und Machtkontrolle machen eine Demokratie aus. Medien schauen der Politik auf die Finger und halten uns Politikerinnen und Politikern den Spiegel vor. Sie decken Missstände auf und schützen so vor Machtmissbrauch und Korruption.

Sie, geschätzte Verlegerinnen und Verleger, Journalistinnen und Journalisten, leisten einen zentralen und wertvollen Beitrag, dass unsere Demokratie funktioniert. Viele von Ihnen haben sich genau deshalb für diesen Beruf entschieden. Dafür gebührt Ihnen Respekt und grosser Dank.

Nous vivons des temps troublés, imprévisibles. Les sociétés libérales d'inspiration occidentale sont sous pression, partout dans le monde. Les idées autoritaires ont le vent en poupe - même dans des pays stables qui ont une longue tradition démocratique.

Die dunklen Seiten des Internets, vor allem der Sozialen Medien, spielen dabei eine zentrale Rolle. «Fake News» und Desinformation verzerren, hetzen auf und vergiften die politische Debatte. Ausserdem sind da die «filter bubbles» und Echokammern. Algorithmen sorgen dafür, dass Nutzerinnen und Nutzer in ihren Ansichten konstant bestätigt werden. Man bleibt unter sich, Widerspruch gibt es nicht. Das verstärkt die Polarisierung. Die Autokraten dieser Welt wissen dies zu nutzen.

Eine andere, aber nicht minder grosse Herausforderung für die Demokratie ist, dass sich viele Menschen gar nicht mehr informieren. Das Forschungszentrum Öffentlichkeit und Gesellschaft der Universität Zürich schreibt in seinem Jahrbuch von einem Höchststand so genannter «News-Deprivierter» in der Schweiz: Mittlerweile gilt fast die Hälfte der Bevölkerung als News-unterversorgt. Besonders junge Menschen. Die Folgen sind bekannt: Wer schlecht informiert ist, beteiligt sich weniger an der Politik und ist den Institutionen gegenüber misstrauischer. Die Anfälligkeit für «Fake-News» und Desinformation steigt. Hier schliesst sich der Kreis.

Das sind grosse Herausforderungen für unsere Demokratien. Im Grunde sind das auch Ihre Herausforderungen, liebe Verlegerinnen und Verleger, geschätzte Journalistinnen und Journalisten. Auch für Ihre Branche sind die Zeiten unruhig und rau. Die klassische Mediennutzung bricht ein.

Um die Inhalte an die Leute zu bringen, müssen Sie neue Kanäle bespielen, etwa in den Sozialen Medien, wo der Kampf um Aufmerksamkeit ungleich härter ist. Das nächste lustige Katzenvideo ist nur einen Finger-Wisch entfernt.

Sie konkurrenzieren dort aber nicht nur mit anderen Medien oder Inhalten, sondern eben auch mit «Fake News» und Desinformation. Die Logik der Aufmerksamkeitsökonomie und der Algorithmen führt zudem dazu, dass in den sozialen Medien Extrempositionen dominieren. Dieser Logik folgen auch die traditionellen Medien: Gut ist, was Klicks, Views und Leseminuten bringt. Sensation vor Sachlichkeit - auch das schadet auf Dauer der Glaubwürdigkeit der Medien.

Und schliesslich: Wenn immer weniger Menschen regelmässig «klassische» News konsumieren, fehlen Einnahmen. Guter Journalismus kostet. Dafür bezahlen wollen aber immer weniger. Das ist umso verheerender, weil der Journalismus wegen den einbrechenden Werbeeinnahmen nun als Geschäftsmodell funktionieren soll.

Damit bin ich bei einer Ihrer grössten Herausforderungen angelangt: einem fairen Entgelt für Ihre Inhalte und Veröffentlichungen. Der Bundesrat setzt sich hierfür ein. Sie ahnen es, ich spreche vom Leistungsschutzrecht, das der Bundesrat in die Vernehmlassung geschickt hat. Dieses wurde in der Tendenz begrüsst. Es wurde aber auch Widerstand angemeldet.

Der Bundesrat ist allerdings überzeugt: Wenn grosse Online-Dienste wie Google oder Meta journalistische Leistungen nutzen, sollen sie die Medienunternehmen entschädigen. Insbesondere kurze Text- und Bildvorschauen, so genannte Snippets, werden heute durch das Urheberrecht nicht geschützt. Das Leistungsschutzrecht soll das ändern. Bis im Sommer will der Bundesrat die Botschaft vorlegen.

Zentral scheint mir, dass die Teilnehmenden der Vernehmlassung die Ausgestaltung der neuen Regelung mehrheitlich begrüssen. Es könnte die Sache vereinfachen, wenn eine Verwertungsgesellschaft Sie als Medienschaffende vertritt: Die Vergütung könnte kollektiv ausgehandelt werden und würde für alle betroffenen Medienunternehmen gelten. Gerade kleinere und regionale Medien könnten davon profitieren. Und auch die Journalistinnen und Journalisten würden beim Vorschlag des Bundesrates beteiligt werden.

Wir alle wissen, dass das Leistungsschutzrecht die wirtschaftlichen Probleme der traditionellen Medien nicht alleine lösen kann. Und dass die Fragen zur Medienförderung damit nicht beantwortet sind. Das Leistungsschutzrecht kann der Gesellschaft bestenfalls etwas Luft und Zeit verschaffen, um Antworten zu finden.

Interessant ist ja, dass die Rangliste der Pressfreiheit ausgerechnet von Ländern angeführt wird, die über Instrumente staatlicher Presseförderung verfügen. Die Reporter ohne Grenzen stellten 2024 Norwegen, Dänemark, Schweden, Holland und Finnland in Sachen Unabhängigkeit der Medien auf die Spitzenplätze. Die Schweiz folgt auf Platz 9. Es gibt also Wege, Informationsdienstleistungen staatlich zu entschädigen, ohne dass die Unabhängigkeit der Presse beschnitten wird. Klar ist, dass Lokalberichterstattung, Hintergrund und Recherche, aber auch Kulturberichterstattung sowie regions- und grenzüberschreitende Reportagen immer stärker unter Druck geraten, obwohl sie für die Demokratie und den Zusammenhalt unseres Landes unerlässlich sind.

Ich fordere Sie auf - Leistungsschutzrecht hin oder her - sich aktiv in diese Debatte einzumischen. Aus Eigeninteresse, aber auch für das Gemeinwohl. Machen sie es wie der Bauernverband. Auch dieser fordert selbstbewusst und hörbar Unterstützung, weil die Landwirtschaft wichtig ist für die Landesversorgung. Genau wie Sie auch.

Mit der Künstlichen Intelligenz erhält die Frage nach einem fairen Ausgleich zudem noch einmal eine ganz andere Dimension. KI-Dienste wie «ChatGPT» greifen auf das gesammelte Wissen des Internets zurück. Ein wesentlicher Teil davon sind journalistische Leistungen. Die neuen Dienste entschädigen die Medienunternehmen in der Schweiz dafür aber nicht. Auch wenn ich gut verstehe, dass Sie auch hier regulieren wollen: Ob das Leistungsschutzrecht dafür den richtigen Rahmen bietet, ist zurzeit noch umstritten. Unbestritten ist aber: Wir werden diese Diskussionen intensiv weiterführen müssen. Mit der künstlichen Intelligenz stecken wir mitten in einer technologischen Revolution. Sie wird uns als Gesellschaft stark herausfordern.

L'intelligence artificielle va aussi vous concerner de plus en plus, car elle peut se charger de tâches journalistiques simples. Je comprends que cette perspective puisse inquiéter. Mais je suis convaincu que nous aurons toujours besoin d'éditeurs conscients de leur responsabilité et - plus particulièrement encore - de journalistes sérieux, qui ont l'esprit critique.

Um zu Recherchieren. Irgendjemand muss die künstliche Intelligenz ja intelligent füttern. Das Erbe der Aufklärung baut auf Fakten und nicht auf Algorithmen.

Um Informationen zu gewichten, einzuordnen und zu werten.
Um Wahrhaftiges von Unwahrem zu unterscheiden.
Um politische Prozesse langfristig zu beobachten und ExpertInnen-Wissen aufzubauen.
Um Machtmissbrauch zu bekämpfen.
Um demokratische Diskussionen zu ermöglichen und dem Willen der Bevölkerung Achtung zu verschaffen.

Dafür brauchen wir Sie. Unsere Demokratie braucht Sie.

Jedes Mal, wenn ich von Entlassungen, Redaktions-Fusionen und zurückgestutzten Regional- und Lokalmedien lese, hoffe ich, dass Ihnen das bewusst ist. Und auch, dass Gewinn-Vorgaben nicht das alleinige Ziel sein können. Journalismus ist und war immer mehr.

Ja, die Berichterstattung ist heute umfangreicher oder, wie Faulkner sagte, «gründlicher». Weil es schlicht mehr verfügbare Informationen gibt. Das reicht aber nicht. Es liegt an Ihnen, dass die Berichterstattung auch tiefgründiger ist.

Deshalb mein Appell an Sie: Verteidigen Sie den faktenbasierten, seriösen Journalismus, der auf Relevanz setzt und nicht primär auf Sensation und Polemik. Ihre Kundschaft durchschaut die Skandalisierung. Bilden Sie stattdessen die Vielfalt der Ansichten auf die Ideen und Ereignisse unserer Zeit ab und ermöglichen sie so die Debatte. Denn diese ist die Voraussetzung für Erkenntnis und Kompromiss, zwei zentrale Säulen unseres Staatswesens.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

«Medien, Digitalisierung und Demokratie: welche Rolle für die Politik?»